Das Haus am Mehringdamm 67 wurde heute (21.03.18) im Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg meistbietend für 7,1 Mio. € versteigert
Der Gerichtssaal der Zwangsverteigerung war so voll, dass viele betroffene Mieter*innen, Interessierte, Journalist*innen und Bieter*innen stehen mussten. Nach Eröffnung der Bieterrunde mit einem Startgebot durch das antragstellende Unternehmen ging es zu Beginn schleppend, dann immer dynamischer in Richtung Höchstgebot. Dabei fiel auf, dass sich zwei Bieter*innen ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten und verbotenerweise mehrfach kurz unterhielten. Die die Versteigerung leitende Amtsperson wies eher zurückhaltend darauf hin, dass keine Gespräche zwischen den Bieter*innen im Saal erlaubt seien, was dann aber die Bieter*innen nicht daran hinderte weitere Absprachen, auch vor der Tür des Saales, zu treffen.
Letztlich wurde das Höchstgebot von 7,1 Mio. € erreicht und den Zuschlag erhielt ein in Berlin nicht unbekanntes Unternehmen, eine GbR mit zwei bekannten Namen, Herrn Samuel Czarny und Herrn Ariel Schiff, mit Verbindungen zu einem noch bekannteren Namen, nämlich der Berggruen Holdings (Link zum Managing Director der Berggruen Holdings). Angeblich gibt es einen dritten anonymen Gesellschafter dieser GbR - wir sind sehr gespannt wer das denn sein kann!
Wir werden jetzt das Ergebnis der Versteigerung besprechen und überlegen wie damit umgegangen werden kann, damit wir auch in 10, in 20 und in 30 Jahren hier noch wohnen können.
Denn eines ist sicher: um 7,1 Mio. € über ein Mietshaus zu refinanzieren, bedarf es großer Anstrengungen um die Mieteinnahmen radikal zu erhöhen oder gar mittelfristig in Einzeleigentum umzuwandeln, um dann zum höchstmöglichen Preis zu verkaufen.
Pressemitteilung des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vom 20.03.2018
Prüfung der Ausübung des Vorkaufsrechts im Fall Mehringdamm 67 nach Versteigerung am 21.3.2018 in Planung
Pressemitteilung Nr. 46 vom 20.03.2018
Bezirksstadtrat Florian Schmidt erklärt: „Bereits beim Fall Eisenbahnstraße 2-3/ Muskauerstraße 10 haben wir als Ergebnis einer Versteigerung mit einem höchst spekulativen Kaufpreis umgehen müssen. Das Vorkaufsrecht konnte letztlich trotz überhöhten Preises ausgeübt werden. Rechtlich ist strittig, ob bei Versteigerungen die preislimitierende Ausübung zum Verkehrswert bei spekulativen Kaufpreisen möglich ist. Ein anlässlich des Falls Eisenbahnstraße in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten gibt Land und Bezirken nun die Möglichkeit ein Musterklageverfahren bis in die höchste Instanz anzustreben.“
Am 21. März 2018 findet eine Teilungsversteigerung des Grundstücks Mehringdamm 67 statt. Dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BauGB ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung zu.
Auch in diesem Fall Mehringdamm 67 wird die Ausübung des Vorkaufsrechtes geprüft werden. Käufer*innen können das Vorkaufsrecht gem. § 27 Abs. 1 BauGB abwenden, wenn sie sich verpflichten, auf
- die Begründung von Wohn- oder Teileigentum,
- den An- bzw. Einbau eines Aufzugs,
- den (Teil-) Abriss und
- energetische Sanierungsmaßnahmen (wenn nicht gesetzlich erforderlich)
zu verzichten. Die Verpflichtungen gelten, solange die Erhaltungsverordnung „Bergmannstraße-Nord“ in Kraft ist, längstens jedoch für 20 Jahre. Dies sollten Bieter*innen bei der Auktion berücksichtigen.
Bei der Ausübung des Vorkaufsrechtes kann der Bezirk den Verkehrswert heranziehen, sofern der Kaufpreis den Verkehrswert um mehr als 20 Prozent überschreiten sollte. Hierbei wird der Bezirk ein eigenes Verkehrswertgutachten in Auftrag geben. Der im Auftrag des Amtsgerichtes Tempelhof-Kreuzberg erstellte Verkehrswert erscheint nicht modellkonform, so dass der ermittelte Ertrags- und Vergleichswert nicht nachzuvollziehen sind. Daher scheut das Bezirksamt auch nicht davor zurück, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen.
Das Bezirksamt wird an der Versteigerung teilnehmen, um das Verkaufsgeschehen zu beobachten.
Ansprechpartnerin
Sara Lühmann
Pressesprecherin
Telefon: (030) 90298-2843
Aufruf zur Kundgebung am Mittwoch, 21.03.2018, 8:00-10:00 Uhr:
Keine Spekulation im Milieuschutz - bezahlbaren Wohnraum schützen!
Wohnen ist ein Menschenrecht und kein Spekulationsobjekt!
Am Mittwoch den 21.03.2018 findet um 10:00 Uhr im Gerichtsgebäude Kreuzberg in Saal I/144 die völlig überflüssige Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft des Mehringdamm 67 statt. Die Teileigentümer*innen waren trotz unserer Bemühungen leider zu keinerlei Gesprächen und Verhandlungen bereit.
Das Haus am Mehringdamm 67 liegt im Erhaltungssatzungsgebiet, genannt Milieuschutz, und soll dennoch meistbietend versteigert werden. Das Einzige was hierdurch geschützt wird, sind die Profite der Teileigentümer*innen und die spekulativen Renditeerwartungen der zukünftigen Investoren und sogenannten Immobilienentwickler. Somit wird das Haus zu einem weiteren Spekulationsobjekt des Finanzkapitals in Berlin.
Das Risiko ist groß, dass erneut günstiger Wohnraum für Viele den spekulativen Renditeerwartungen einiger Weniger geopfert wird.
Wir fordern einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik!
Es ist ein Skandal, dass mit Wohnraum spekuliert werden darf, denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis und ein Menschenrecht! (Artikel 11, icescr, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte - der Pakt wurde von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert)
Kommt zur Kundgebung am Mittwoch, 21.03.18 um 8:00 Uhr in die Möckernstraße 130 (Eingang des Gerichtsgebäudes Kreuzberg) und unterstützt unseren bunten Protest gegen dieses skandalöse Treiben!
www.mehringdamm67.de
info(ät)mehringdamm67.de
Den Aufruf gibt es hier als PDF.
Pressemitteilung der Mieter*innen des Mehringdamm 67
Das Haus am Mehringdamm 67 wird am 21. März 2018 zur Aufhebung der Eigentümergemeinschaft zwangsversteigert. Falls der Termin bestehen bleibt, ist zu befürchten, dass das Haus zu einem weiteren Spekulationsobjekt des Finanzkapitals in Berlin wird und damit drastische Mieterhöhungen und Verdrängung der bisherigen Mieterinnen und Mieter äußerst wahrscheinlich sind.
Wir fordern den Bezirk und den Senat auf, sich aktiv dafür einzusetzen, dass dieser bezahlbare Wohnraum dauerhaft bestehen bleibt und dadurch die bisherige Mieterstruktur im Haus und Kiez zu erhalten.
Durch z.B. Verhandlungen mit den derzeitigen Eigentümern über den Direktverkauf an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft oder Erwerb des Hauses durch eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ggf. in der Zwangsversteigerung (ZV).
Das Haus mit Baujahr um 1889 besteht aus 27 Wohn- und drei Gewerbeeinheiten, u.a. die Traditionsgaststätte „Destille Kreuzberg“, die es schon seit über 100 Jahren gibt.
Hier wohnen und leben Handwerker*innen, Angestellte, IT'ler*innen, Schüler*innen, Umschüler*innen, Kulturschaffende, wissenschaftliche Angestellte, Rentner*innen, Transferleistungsbeziehr*innen, Ingenieur*innen, Schwerbehinderte und Nicht-Schwerbehinderte; eine der Kreuzberger Mischungen (bzw. eine der Berliner Mischungen) mit Wurzeln in verschiedenen Ländern, u.a. Deutschland.
Jahrzehnte lang gehörte das Haus Mehringdamm 67 einer Erbengemeinschaft und wurde sozial verträglich vermietet. Die Mieten entsprechen bisher dem Mietspiegel. Dann waren einigen Erben der Erben die 40.000 € Jahreseinkunft (Quelle: Verkehrswertgutachten) anscheinend nicht genug für ihr Drittel am Haus, so dass zwei Parteien ihren Anteil an Immobilienfirmen verkauften. Eine dieser Immobilienfirmen wollte die Gemeinschaft am Besitz auflösen und hat nun eine Zwangsversteigerung zur Auflösung der Eigentümergemeinschaft erreicht.
Die Zwangsversteigerung findet statt am 21.03.18, 10:00 Uhr, Gerichtsgebäude Berlin-Kreuzberg, Möckernstraße 130, Saal I/144 (Aktenzeichen: 30 K 32/17). Der Verkehrswert wurde im Verkehrswertgutachten auf 5 Millionen € festgelegt. Dies ist dann auch das Mindestgebot in der Versteigerung.
Wie berechnet sich nun so ein Verkehrswert?
Hier wurde der Ertragswert zugrunde gelegt: aus dem Grundstückspreis (2,7 Mio. €) wurden bestimmte Faktoren zur Renditeerzielung angenommen (gesetzliche Vorgaben). Hinzu wurden die Mieteinnahmen für die Restlaufzeit des Hause (35 Jahre) herangezogen. Der Instandhaltungsrückstau, z.B. für Dachreparaturen, wurde vom Gutachter auf 1 Mio. € geschätzt und bei der Berechnung des Ertragswerts durch die Verringerung der Restlaufzeit um 10 Jahre berücksichtigt. Ja, richtig gelesen - so ist die Logik der Berechnung des Verkehrswerts.
Zusammenfassend: aus dem vermeintlichen und spekulativen (denn es beschreibt ja eine Erwartung in der Zukunft) Erlös des Hauses und Grundstücks für die nächsten 35 Jahre (bzw. 25 Jahre) wurde der Wert bestimmt, für den es mindestens verkauft werden soll.
Jeder Investor will aber mehr Kapital aus seiner Investion machen.
Dabei haben die Investoren i.d.R. kurzfristige finanzielle Interessen und kalkulieren für ihre Gewinne/Renditen meist nicht über 35 Jahre. Um die Rendite zu erhöhen haben die Immobilienfirmen diverse Strategien entwickelt - alles im Rahmen des gesetzlich erlaubten: aggressive Entmietungsstrategien, Umwandlung in Eigentumswohnungen, Modernisierungen, energetische Sanierung, Weiterverkauf etc. etc. etc.
Das Gutachten formuliert es nach der heutigen Logik der Finanzinvestoren so: "Das Gebäude wurde als Mietzinshaus in vergleichsweise einfachster Bauart errichtet." und: "Für Renditeobjekte, wie dem hier zu bewertenden Wohn- und Geschäftshaus, spielt der Sachwert keine Rolle, denn für den Käufer eines Renditeobjektes sind die Bauskosten nicht von Bedeutung, da die damit verbundene Renditeerwartung der Maßstab für die Kaufentscheidung ist, sodass in diesem Fall der Ertragswert ermittelt wird."
Über die Motivation der Erbauer 1889 kann nur spekuliert werden. Aber es wäre auch folgendes möglich:
dass sie neben der Rendite auch preisgünstigen Wohnraum bereitstellen wollten. Deshalb die "vergleichsweise einfachste Bauart": nicht um die Rendite zu maximieren, sondern um die Mieten preisgünstig zu halten.
Dafür spricht auch das aktuelle Mietniveau: es entspricht dem Mietspiegel.
Und eine Geschichte aus den 1980ern: damals bekam ein junger Handwerker, der gerade nach Berlin gezogen und arbeitslos war, einen Mietvertrag.
Warum modernisieren Immobilienfirmen so gerne?
Die Gebäudeeigentümer*innen dürfen nach der aktuellen Gesetzeslage 11% der Modernisierungskosten (Modernisierungsumlage) jährlich auf die Miete umlegen, und zwar bis in alle Ewigkeit.
Und beispielsweise nicht: bis die Kosten amortisiert sind und dann erfolgt eine Berechnung der Miete über die Wohnwertsteigerung per Mietspiegel.
Nein: die Gesetzeslage ist so, dass sie die Miete für immer um diese 11% erhöhen dürfen. Und zur Absicherung der finanziellen Interessen der Immobillienfirmen dürfen sie auch noch wegen der Wohnwertsteigerung die Miete dem Mietspiegel entsprechend erhöhen.
Zusammenfassend:
Die Immobilienfirmen bekommen für das Kapital, dass sie in die Modernisierung anlegen, eine Rendite von 11%!
So eine Rendite gibt es nicht einmal zu Hochzinszeiten.
Die finanziellen Interessen und insbesondere auch Möglichkeiten der Mieter*innen werden dabei überhaupt nicht berücksichtigt.
Um die Bevölkerungstruktur, die Kreuzberger Mischung oder die Berliner Mischung, in den Innestadtbezirken zu erhalten, ist der Kampf um jedes einzelne Haus wichtig.
Denn jeder Verkauf erhöht die Verkehrswerte der anderen Häuser. Jeder Verkauf an Immobilieninvestoren löst Mieterhöhungen aus und wirkt sich damit steigernd auf den Mietspiegel und damit alle anderen Mieten aus.
Darum fordern wir:
Rücknahme des Antrags auf Zwangsversteigerung durch das antragstellende Unternehmen!
Aufnahme von Verhandlungen des Bezirks/Senats, einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft (Gewobag, WBM, Degewo, etc.) mit den bisherigen Teileigentümern unter Einbeziehung der Mieterinnen und Mieter um eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden!
Ggf. auch durch Erwerb durch eine städtische Wohnungsbaugesellschaft in der Zwangsversteigerung!
Wir wollen hier wohnen bleiben können!
Link zur Zwangsversteigerungsankündigung:
http://www.zvg-online.net/Berlin/zwangsversteigerung_Berlin_Kreuzberg.php?tnr=15141483600000
Kurios: Das in den Anlagen verlinkte Verkehrswertgutachten ist eigenartigerweise (!) derzeit (Zugriff am 23.02.2018) nicht mehr abrufbar ("Der Anhang ist nicht mehr vorhanden").
Die Pressemitteilung als PDF gibt es hier zum download