Bezirk will Musterklageverfahren führen - Erneut Mietshaus in Kreuzberg höchstbietend versteigert

Audio: Inforadio oder als mp3 hier (ab Min. 9:45) | 21.03.2018 | Anna Corves |

Unter dem Motto "Keine Spekulation im Milieuschutz – bezahlbaren Wohnraum schützen!" protestierten Mieter am Mittwoch vor dem Amtsgericht in der Möckernstraße: Ihr Mietshaus am Mehringdamm 67 werde meistbietend versteigert, obwohl es im Erhaltungsgebiet liege. Für 7,1 Millionen Euro ging das Objekt an die Czarny und Schiff GbR.

Der Verkaufspreis liegt damit mehr als zwei Millionen Euro über dem ermittelten Verkehrswert von 5 Millionen Euro. Bislang gehörte das Haus mit 27 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten einer Erbengemeinschaft.

Die Mieter befürchten hohe Mietsteigerung und Verdrängung. Er wohne seit elf Jahren im Haus und habe große Angst vor dem neuen Käufer, erzählte einer der Anwesenden dem rbb: "Ich bin Renter und wenn da modernisiert wird, sehe ich meine Zukunft in Gefahr. Ich kann mir das dann nicht mehr leisten." Zurzeit zahle er warm 550 Euro für 70 Quadratmeter – ein Traum für Friedrichshain-Kreuzberg.

Bezirk prüft Vorkaufsrecht bei Zwangsversteigerung

Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, hatte bereits im Vorfeld angkündigt an, auch bei diesem Objekt das Vorkaufsrecht zu prüfen. Um Mieter zu schützen, machen die Berliner Bezirke häufiger von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Aber das wird immer teurer. Erst vor zehn Tagen hat Kreuzberg-Friedrichshain mithilfe eines Partners ein Eckhaus gerettet - für sieben Millionen Euro. Schon damals hatte der Bezirk überlegt, ob er das Vorkaufsrecht zum deutlich niedrigeren Verkehrswert von rund fünf Millionen Euro ausüben könne. Diese Möglichkeit ist im Baugesetzbuch vorgesehen, wenn der Kaufpreis den Verkehrswert deutlich übersteigt.

Unklar ist allerdings, ob dies auch bei einer Zwangsversteigerung gilt:  Laut Rechtsprechung gilt der dort erzielte Preis dann als der aktuelle Verkehrswert, also 7,16 Millionen Euro. Die Gefahr ist groß, dass Spekulanten die Sonderkaufoption des Vorkaufsrechts über den Preis aushebeln können, indem sie das Haus in einer öffentlichen Auktion anbieten und dabei den Preis in die Höhe treiben.

Musterklage bei Spekulationspreis

Baustadtrat Schmidt erwägt deswegen eine Musterklage, um zu klären, ob für das Vorkaufsrecht des Bezirks der Verkehrswert (5 Millionen) Grundlage ist oder das Höchstgebot gelten muss – selbst wenn es mehr als 20 Prozent über Verkehrswert liegt, also ein Spekulationspreis ist. Das ist hier der Fall.  

Sollte der neue Käufer einwilligen, Ziele des Milieuschutzes zu halten, würde das allerdings verhindern, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht geltend machen kann. Massive Mieterhöhungen plane er nicht, erklärte Gesellschafter Samuel Czarny dem rbb: "Kein Mieter muss sich Gedanken machen, wir möchten niemanden vertreiben." Die GbR sei gesprächsbereit dem Bezirk gegenüber.

Der Czarny und Schiff GbR gehört unter anderem der Gründerzeitaltbau in der Taborstraße 4 im Wrangelkiez. Nach Berichten der Berliner MieterGemeinschaft vom Februar 2017 beschwerten sich dort die rund 20 Mietparteien in einem Brief an den damaligen Bezirksstadtrat Hans Panhoff (B90/Grüne) und an das für Milieuschutz zuständige Stadtentwicklungsamt über das "aggressive Verhalten" des neuen Vermieters. Für die Mieter am Mehringdamm 67 geht die Zitterpartie wohl noch etwas weiter.

Quelle: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2018/03/versteigerung-mietshaus-mehringdamm-bezirk-prueft-vorkaufsrecht.html